Die breite, gerade und verkehrsfreie Flaniermeile wurde zwar nach 1990 an einigen Abschnitten wieder in die Gebäudefluchten der Vorkriegsbebauung gezwungen, hat aber ansonsten nicht mehr viel mit der legendären Lebensader der pulsierenden Landeshauptstadt bis zur Bombennacht zu tun. Luxuriöse Geschäfte, vielbesuchte Kinos und Gaststätten, exquisite Hotels, Bahn- und Individualverkehr und die Fußgängerströme erzeugten früher ein flirrendes und faszinierendes Gesamtbild. Die Straße sah Paraden heimkehrender Truppen, Galaaufzüge gekrönter Häupter und Staatsmänner aller Couleur. Am 9. November 1938 verlor die Prager ihre Unschuld- bei allen jüdischen Geschäften und Warenhäusern wurden in blindem Hass die Scheiben zerschlagen und ihre Besitzer enteignet, verjagt oder umgebracht.
Nach der sinnlosen Zerstörung 1945 und der rigorosen Beseitigung aller Ruinen und der alten Straßenstruktur pfiff einige Jahre der Wind über die Freifläche zwischen Altmarkt und Hauptbahnhof. Nach einem Architekturwettbewerb wurde zwischen 1964 und 1978 eine gänzlich neue und modern konzipierte Prager Straße errichtet. Die Anlage als weiträumiger Boulevard mit Grünflächen, künstlerischen Brunnen und architektonisch stimmig und interessant gestalteten Bauten entwickelte sich zu einem herausragenden positiven Beispiel der DDR-Architektur.
Im Oktober 1989 wurde die Prager Straße zum Schauplatz der friedlichen Revolution. Die neue Zeit brachte die alten Besitzstände zurück und es wurde sofort gebaut, denn jeder Quadratmeter ließ sich vergolden. Das ging mehr oder weniger gut. Nun ist die Straße in Teilen wieder eng, auch die letzte Baugrube am Wiener Platz gefüllt und Einheimische und Touristen begeben sich hier auf Schnäppchenjagd.